Die Schule des Lebens: Lernen aus verschiedenen Blickwinkeln

Lernen begleitet uns das ganze Leben. Und das ist auch gut so. Denn wir nicht konstant aus dem Leben lernen und Lehren ziehen würden, bleiben wir stehen.

Mein Leben haben verschiedene Erfahrungen geprägt und dank Sabine Landua und ihrem Aufruf zur Blogparade „Lernabenteuer jenseits des Klassenzimmers – was ich außerhalb der Schule gelernt habe„, wurde mir die Möglichkeit gegeben, darüber nachzudenken und dankbar hierfür zu sein.

Soziale Komponente

Meine Eltern sagen, dass ich von Kindesbeinen an, den Kontakt zu anderen Menschen gesucht habe. Ob das wirklich schon so früh begonnen hat, kann ich natürlich nicht bestätigen. Was ich jedoch weiß, ist, dass ich seit den Kindergarten-Tagen selten alleine spielen wollte. Ich spielte gerne mit meinen Freunden eine „Familie“ nach, wobei mir dabei immer eine Großfamilie wichtig war. Das Spielen in der Gemeinschaft machte und macht mir nach vor Spaß.

Und so kam es dann auch, dass ich mich im Laufe der Jahre den Pfadfindern angeschlossen habe. Es war eine tolle gemeinsame Zeit, die wir unter anderem in verschiedenen Lagern (und mit anderen Pfadfindergruppen im In- und Ausland) verbrachten. Der Zusammenhalt, das Miteinander, die Fürsorge untereinander sowie das Zusammenleben auf bestimmte Zeit und das Erleben von Abenteuern, hat mich ebenso geprägt wie die Herausforderungen, die mit unterschiedlichen Altersgruppen, den jeweiligen Bedürfnissen und Charakteren, einhergingen.

Ich möchte diese Zeit nicht missen. Es ist unglaublich, was mich diese Zeit gelehrt hat im Bereich der Kommunikation und Gemeinschaft, des Zusammenhalts und in der Konfliktbewältigung.

Weltoffenheit & Reisen

In der Zeit vor meiner chronischen Erkrankung war ich ein Freund von Reisen jeglicher Art. Ich liebte es beispielsweise in jungen Jahren, mit dem Rucksack ferne Länder zu bereisen – egal ob alleine oder zu zweit. Die unterschiedlichen Kulturen der Länder, Menschen und Essgewohnheiten haben mich fasziniert. Bei Rucksackreisen ist der Kontakt zu den jeweiligen Einwohnern eines Landes noch viel, viel intensiver, als wenn man als Pauschaltourist unterwegs ist. Die Hürde ist kleiner, um angesprochen oder integriert zu werden.

Freundliche und ehrliche Worte, Respekt, Toleranz und Akzeptanz sowie ein Lächeln von Herzen, öffnet die Türen zu den Mitmenschen. Durch Gespräche und aktives Zuhören lernt man soviel über Menschen und bereichert parallel dazu seinen eigenen Horizont.

Es ist aber nicht nur der Blick auf die Eigenschaften unterschiedlicher Kulturen und Menschen, von denen ich auch heute noch profitiere, sondern auch die Schönheit der Natur. Wie schön ist es bitte, den Blick offen durch die Gegend schweifen zu lassen? Jede Landschaft im In- und Ausland hat etwas, was mich fasziniert und in den Bann zieht. Die Natur lässt uns innehalten und den Moment genießen bzw. wahrnehmen. Dieses Loslassen, Annehmen was ist und darauf vertrauen, dass der von der Natur aus vorgegebene Kreislauf niemals unterbrochen wird, ist für mich ein Teil der Achtsamkeitslehre.

Durch den Blick eines Kindes

(Klein)Kinder sind unvoreingenommen. Kinder sehen keine Probleme, sie sehen nur Fragen, auf die eine Antwort erfolgen muss. Sie leben ihr Leben im Regelfall mit Genuss, Neugier und Freude. Rückschläge werden angenommen, aber nicht hinterfragt. Sie wollen akzeptiert und wahrgenommen werden. Kinder in jungem Alter zu beobachten, ist lehrreich, weil sie so wertfrei durch das Leben gehen.

Kürzlich z. B. war meine Schwester mit meinem knapp 4-jährigen Neffen zu Besuch. Aufgrund meiner Erkrankung kann und möchte ich nicht oft Besuch bekommen und wenn, dann nur für ca. 1,5 Studen. Meine Schwester wohnt etwas über 3 Stunden von mir entfernt und somit sehe ich meinen Neffen ganz selten (außer evtl. über Videotelefonie, aber dazu muss er auch Lust haben). Somit versuche ich, sofern sie in der Heimat sind und mir es einigermaßen gut geht, einen Besuch zu ermöglichen.

Und so kam es, dass er mit mir spielen wollte und sich einen Spaß daraus machte, sich zu verstecken. Anfangs konnte ich noch mit ihm spielen, aber sehr schnell lies meine Kraft, Energie und auch Freude nach und ich musste ihm verständlich machen, dass es leider nicht mehr ging.

Zunächst ignorierte er es, fragte immer wieder nach dem Warum und versuchte weiterhin, mich vom Stuhl zu ziehen. Als ich ihm dann mitteilte, dass ich jetzt schlafen muss, weil das spielen so anstrengend war und ich nun aufgrund meiner Krankheit müde bin, legte er seinen Kopf etwas schief, spielte mit seinen kleinen Fingern und meinte dann ganz ernst und mit großen Augen „Okay, das kenne ich. Wenn ich müde bin, muss ich mich auch hinlegen. Im Kindergarten mache ich das auch so. Dann spielen wir das nächste Mal wieder. Ich bin ja morgen auch noch mit Mama bei Oma & Opa. Brauchst du meinen Otto zum Schlafen (Otto ist sein treuer Teddy-Begleiter)“.

Als ich letzteres verneinte, lief er raus in den Flur, holte seine Jacke und seine Schuhe und drängte seine Mutter förmlich dazu, sich schnellstens von mir zu verabschieden und zu gehen. In der Haustür meinte er dann zu mir: „Tante Sevi, werde schnell wieder gesund, damit wir weiter spielen können. Mama sagt immer, dass man viel schlafen muss, um wieder gesund zu werden und das machst du jetzt“. Als er sah, dass ich bei den Worten mit den Tränen kämpfen musste, sah er mich an und meinte „Nicht weinen. Du musst dich jetzt ausruhen. Ich, Mama, Oma, Opa und Onkel Uwe sind da und helfen dir gesund zu werden“. Daraufhin reichte er mir sein Taschentuch aus der Hosentasche, schaute mich nochmals intensiv an und rannte, sich verabschiedend und lachend, raus.

Wieder alleine, dachte ich nur, dass es faszinierend ist, wie schnell Kinder Fakten herunterbrechen können. Und diese plötzliche Ernsthaftigkeit und sein Mitgefühl, als er verstand, dass es besser ist, dass ich mich hinlegen muss, hat mich begeistert und mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.

Kinder können mit ihrer Leichtigkeit filterlos zum Punkt kommen. Davon können sich manch Erwachsene wirklich eine Scheibe abschneiden. Dieser Moment hat mich gelehrt, dass es manchmal nur die richtigen Worte bzw. den Vergleich mit einer bestimmten Situation braucht, um verstanden zu werden. Die Empathie und das Verständnis des Gegenüber für die Situation trägt zusätzlich dazu bei. Mit den Aussagen meines kleinen Neffen, reduzierte sich zusätzlich mein schlechtes Gewissen und die Traurigkeit, die ich empfand, ihn enttäuschen zu müssen.

Lebenslanges Lernen

Das Leben ist schnell und intensiv. Um jedoch mit dieser Schnelllebigkeit und Intensität mithalten zu können, ist meines Erachtens eine gewisse Offenheit und Bereitschaft zu lernen nötig. Egal ob im Beruf oder Privaten – alles ändert sich im Laufe der Zeit. Die Ansprüche im Beruf werden größer, sei es im Bereich der KI oder evtl. auch der zugewiesenen Aufgaben. Mit dementsprechenden Weiterbildungen kann man vorbeugen. Ich bin beispielsweise jemand, der nicht unbedingt frontal oder Vor-Ort-Unterricht benötigt. Ich lerne gerne mit Medien und in meinem eigenen Tempo. Das erfordert jedoch zum einen Willen und Durchhaltevermögen und zum anderen Selbstkontrolle und Fokussierung.

Die genannten Punkte sind Eigenschaften, die mich als Person ausmachen und auszeichnen. Ich gebe dazu noch selten klein bei und nie auf. Es braucht gute nachvollziehbare Argumentationen, um mich zu überzeugen, die Sichtweise zu ändern.

Mit den Aufgaben wächst man und dieses Motto zieht sich durch mein Leben. Ein Leben ohne Recherche, Weiterbildung, kulturellen Veranstaltungen sowie (sportlichen) Herausforderungen kann ich mir für mich nicht vorstellen. Momentan muss ich das zwar gerade drastisch auf den zuerst genannten Punkt reduzieren, aber ich hoffe, dass sich das wieder ändert. Denn der durch das Erleben, die Teilnahme und dem Lernen gewonnene Mehrwert ist Reichtum für meinen Kopf, meine Seele und auch für meinen Körper.

Akzeptanz

Seit Ende April 2021 befinde ich mich in der größten Lernphase meines bisherigen Lebens. Ich wurde einem Learning der anderen Art – der Akzeptanz (m)einer chronischen Erkrankung – ausgesetzt, etwas das ich so noch nicht kannte und erlebt habe. Diese Akzeptanz zieht sich durch komplett alle Lebensbereiche und veränderte mein gesamtes bisheriges Leben sowie meine Sicht darauf.

Die Erkrankung anzunehmen, kostete mich sehr viele Tränen und Selbstliebe – und doch gibt es Situationen, bei denen ich ab und an noch mit der Erkrankung hadere. Von heute auf Morgen wurde mein früheres, wirklich sehr aktives Leben gestoppt. Auf einmal musste ich lernen, mich auf ein ganz anderes, ganz neues Leben einzulassen – auf ein wesentlich entschleunigtes und langsameres Leben, aber auch ein sehr viel bewussteres Leben. Achtsamkeit, regelmäßige Selbstreflexion wie auch Meditation kamen zurück in meinen Alltag. Verschiedene Atemtechniken auszuprobieren und letztlich zu erlernen, halfen mir dabei.

Hilfe im privaten Bereich anzunehmen und auszusprechen, musste ich lernen. So wie auch medizinische Hilfsmittel in Anspruch zu nehmen. Zu oft kamen Gedanken auf wie „Dafür bist du noch zu jung“, „Du musst dich nur anstrengen“, „Was denken denn die Leute?“. Die Krankheit lehrte mich jedoch eines Besseren und heute bin ich dankbar, diese Schritte eingeleitet und Hilfe erhalten zu haben.

Des Weiteren wurde mir bewusst, dass ich ein neues Kapitel in meinem Leben aufschlagen möchte. Der Sinn meines Daseins spielt plötzlich eine Rolle. Wie kann diese Situation dazu beitragen, einen Mehrwert zu schaffen (egal ob Menschen oder Forschung)? Wer benötigt Hilfe? Wo kann ich helfen und mich einsetzen?

Natürlich muss ich mir sehr genau überlegen, wie ich vorgehen möchte. Des Weiteren muss ich meinen Energiehaushalt im Blick behalten, mich nicht überfordern und das, was ich leisten kann, muss kognitiv zu meistern sein. Ich gehe meine Mission „Die Sichtbarkeit von chronisch erkrankten Menschen zu erhöhen“ in kleinen Schritten an. Falls ich nicht auf mich achte, werde ich die Tage darauf von meinem Körper in die Schranken gewiesen und eines besseren belehrt.

Fazit

Ich wäre nicht ich, wenn ich mich den unterschiedlichen Phasen des Lernens verweigert hätte. Egal ob im zwischenmenschlichen Bereich oder im Bereich des Wissens/des Kenntnisstandes: Nur durch die Bereitschaft zu lernen, Fokussierung, Reflexion und Neugierde bzw. Offenheit macht man seine Erfahrungen im Leben. Erfahrungen prägen. Diesen Bonus nenne ich „Leben lernen und erfahren“. Die Frage ist, in weit man diesen Eingriff zulässt und sich darauf einlässt. Das muss jeder für sich selbst entscheiden.

Die Schule des Lebens ist eine Reise. Sie ist es wert, sich ihr zu öffnen und sie zu (er)leben.

Welche Erfahrungen hast du bisher gemacht und was sind deine Learnings aus der jeweiligen Situation?

6 Kommentare

  1. Liebe Sevi,
    auch mich berührt die Geschichte mit deinem Neffen. Aber noch mehr fasziniert mich, wie du mit deiner chronischen Krankheit umgehst. Ich kann gut verstehen, wie schwer solch ein Lernprozess ist. Kenne es von mir selbst. Manchmal dauert dieser Prozess sehr, sehr lange.

    1. Hallo Edith,
      vielen lieben Dank für deine Worte. Und ja, es ist ein langer Prozess. Aber wenn wir uns diesem Prozess gestellt und ihn dann irgendwann „gemeistert“ haben, ist der Gewinn purer Mehrwert.

      Für dich alles Gute und ganz liebe Grüße
      Sevi

  2. Es schwingt soviel Akzeptanz und Liebe in deinem Beitrag mit. Das hilft mir, meinen Blick auf die Sachen zu richten, die wirklich zählen.
    Vielen Dank für deine Offenheit und Teilhaben Lassen an deinem Lernen!

    1. Hallo Barbara,
      das freut mich sehr zu lesen. Und was mir gerade wirklich sehr gefällt, ist, dass der Beitrag auch meine Persönlichkeit bzw. Einstellung nach außen so widerspiegelt, wie ich erhofft habe.

      Vielen lieben Dank für deine Rückmeldung.
      Liebe Grüße
      Sevi

  3. Vielen Dank für diesen tollen Beitrag zu meiner Blogparade! Sehr berührend fand ich, wie du das Spielen mit deinem Neffen beschreibst. Manchmal können wir von den Kindern lernen, die richtigen Worte zu finden. Die Akzeptanz, dass unser Leben manchmal anders verläuft, als wir es gewohnt waren oder geplant haben, ist wohl das schwerste Learning. Deine Entscheidung, diese Lernerfahrung zu nutzen und andere Menschen zu unterstützen, finde ich toll! Ich freue mich auf deine weiteren Blogbeiträge!

    1. Hallo Sabine.
      zuerst einmal möchte ich dir danken, dass du mir mit dem Aufruf zu deiner Blogparade, all diese Erkenntnisse und Erfahrungen nochmals vor Augen hast führen lassen. Auch wenn sie im Hinterkopf schlummern und man sich selbst ja kennt, ist es doch was anderes, sich gezielt mit seinen „Lernabenteuern außerhalb der Schule“ aktiv auseinanderzusetzen.

      Das Beispiel mit meinem kleinen Neffen, war wirklich eine positive und nachhachhaltige Erfahrung. Auch wenn ich nicht seine Mutter bin, so war ich doch in diesem Moment sehr ergriffen und stolz auf ihn.

      Liebe Grüße
      Sevi

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