Welche Vorteile ich als chronisch Erkrankte in Selbsthilfegruppen sehe

Für viele Betroffene von chronischen Erkrankungen ist der Austausch untereinander eine wichtige Unterstützung. Selbsthilfegruppen bieten dafür einen geschützten Raum, um sich über Symptome, Bewältigungsstrategien und/oder den Alltag auszutauschen.

Auch wenn ich selbst Fan von Online-Selbsthilfegruppen bin, bieten natürlich Vor-Ort-Selbsthilfegruppen ebenfalls Vorteile, die ich hier nicht untergehen lassen möchte. Doch zuerst möchte ich darauf eingehen, warum Online-Selbsthilfegruppen mir persönlich einen Mehrwert geben.

Einleitung

Es gibt Tage, an denen deine chronische Erkrankung alles bestimmt. Tage, an denen sich die Gedanken im Kreis drehen. Immer wieder landest du bei den Fragen: „Warum heute?“, „Warum gerade ich?“. Vielleicht hast du in diesen Situationen das Gefühl, dich immer weiter von deinem „früheren“ Leben zu entfernen. Ein Leben voller Energie, Freiheit und unbeschwerten Momenten. Dabei denkst du eventuell, dass deine chronische Erkrankung nicht nur deinen Körper, sondern auch das eigene Selbstgefühl/den Selbstwert in Beschlag nimmt. Gerade an diesen Tagen belasten uns nicht nur die physischen/körperlichen Beschwerden, sondern auch die Traurigkeit, die Hilflosigkeit und das Gefühl der Isolation. Wir fühlen uns wie in einer Endlosschleife, aus der es kein Entkommen gibt.

Eine Selbsthilfegruppe kann genau in solchen Momenten ein Anker sein. Denn dort triffst du auf eine Gemeinschaft von Menschen, die versteht, was du durchmachst, weil sie selbst ähnliche Erfahrungen machen. Hier kannst du offen sprechen, ohne dich erklären zu müssen. Hier bekommst du Mitgefühl, Anregungen und Hilfestellung – kurz: eine Community, die dich auffängt. Zu wissen, dass man gehört und verstanden wird und nicht alleine ist, vermittelt ein positives Gefühl. Selbsthilfegruppen bieten somit eine wertvolle Möglichkeit, sich intensiv auszutauschen und emotionale Unterstützung zu erfahren.

Meiner Meinung nach gibt es jedoch noch zwei weitere wichtige Aspekte, die bei einer Teilnahme an Selbsthilfegruppen beachtet werden sollten: das Krankheitsbild und die damit einhergehenden Symptome. Viele chronischen Erkrankungen gehen oft mit stark verminderter Belastbarkeit, chronischer Erschöpfung und kognitiven Einschränkungen einher. Das Energielevel eines Jeden ist meist durch die Erkrankung limitiert. Daher ist die Entscheidung, welche Form der Selbsthilfe am besten zu jedem einzelnen passt, immer individuell. Es gibt kein besser oder schlechter und muss von jedem selbst abgewägt werden.

Doch hier nun zu meiner Zusammenfassung der Vorteile von den jeweiligen Selbsthilfegruppen.

Vorteile von Online-Selbsthilfegruppen

  • Schonender für Energiereserven

Da viele Betroffene nur über eine sehr begrenzte Energiekapazität verfügen, sind Online-Treffen weniger belastend.

So kann z. B. schon alleine die Anreise zu einem Gruppentreffen extrem belastend sein. Viele Betroffene leiden unter Erschöpfung, orthostatischer Intoleranz oder Schmerzen. Dies lässt den Weg zu einer Gruppe zu einer kaum bewältigbaren Hürde werden und führt ggf. zu einer Symptomverschlechterung. Daher ist im Rahmen eines guten Pacing zwingend auf das zur Verfügung stehende Energielevel zu achten.

  • Reizüberflutung/sensorische Überlastung

My Home is my castle. Hier kann ich bewusst steuern, in welchen Raum bzw. in welcher Umgebung ich mich an einer Online-Selbstgruppe beteilige. Somit wirke ich gezielt einer kognitiven und sensorischen Überforderung entgegen. Somit entgeht man zu Hause der Gruppendynamik, den Geräuschen und Umgebungsreizen wie beispielsweise lauten Stimmen oder eine unruhige, aufwühlende Umgebung.

  • persönliche Abgrenzung

Bei einer Online-Selbsthilfegruppe entscheide ich, wann und wie weit ich mich einbringe. Je nach gewählter Online-Selbsthilfegruppen-Variante liegt es in meinem Ermessen, wann ich mich (emotional) abgrenze. Bei schweren oder belastenden Themen kann ich über einen Text hinweglesen, den Ton ausschalten oder Unterstützung anbieten. Meine eigene Selbstfürsorge steht hier im Vordergrund.

  • Vielfältigkeit

Online steht die Welt den Menschen offen. Daher kann sich jeder, der sich angesprochen fühlt, Online-Selbsthilfegruppen anschließen. Es gibt keine begrenzte Teilnehmeranzahl. Somit erreicht diese Form der Selbsthilfegruppe eine Vielfalt, die nirgends sonst zu finden ist. Dies zeigt sich u. a. auch an den Perspektiven und Hilfestellungen, die zu Fragen eingehen.

  • Erholungswert

Durch die oben genannte Selbstfürsorge ist es wesentlich schneller möglich, wieder zu neuer Energie und Kraft zu kommen. Dadurch ist eine Teilnahme an anderen oder weiteren sozialen Aktivitäten realisier- bzw. umsetzbar.

  • Niedrige Infektionsgefahr

Das Risiko, sich mit weiteren Infektionen anzustecken, entfällt bei Online-Selbsthilfegruppen. Menschen mit chronischen Erkrankungen haben oft ein geschwächtes Immunsystem und somit kann diese Gefahr minimiert werden.

Vorteile von Vor-Ort-Selbsthilfegruppen

Darstellung einer Selbsthilfegruppe – erstellt mittels KI
  • Persönlicher Kontakt bzw. stärkere emotionale Bindung und Unterstützung

Chronisch kranke Menschen profitieren oft von direkter, zwischenmenschlicher Unterstützung, die in Präsenz leichter erfahrbar ist.

Der direkte und somit zwischenmenschliche Kontakt kann tiefere Verbindungen schaffen, als eine reine Online-„Bekanntschaft“. Empathie und Verständnis verstärken sich dadurch, dass man sich gegenübersteht, die Mimik und Gestik des Gegenübers wahrnimmt. Somit ist der Austausch untereinander intensiver und emotionaler.

  • Gemeinschaftsgefühl

Der Besuch einer Vor-Ort-Selbsthilfegruppe vermittelt das Gefühl, Teil einer realen, greifbaren Gemeinschaft zu sein. Das Wissen, dass sich Menschen bewusst Zeit nehmen, um sich an einem bestimmten Ort zu treffen, schafft ein Gefühl der Verbundenheit. Somit wirkt der soziale direkte Kontakt aktivierend, verstärkt das Gefühl von Zusammengehörigkeit und Motivation.

  • Strukturierter Ablauf

Vor-Ort-Selbsthilfegruppen finden überwiegend zu festen Zeiten sowie an feststehenden Orten statt.

Dies kann gerade für Menschen mit chronischen Erkrankungen stabilisierend wirken, da sie einen klaren Rahmen für den Austausch/die Unterstützung bietet. Sollte körperliche Bewegung schwierig sein, kann schon das Verlassen des Hauses und ein wenig Bewegung zur Verbesserung des Wohlbefindens beitragen.

  • Räumliche Trennung vom Alltag

Der Ortswechsel selbst ist für den ein oder anderen eine willkommene Abwechslung. Das Verlassen der gewohnten wie auch meist zurückgezogenen Umgebung ermöglicht es, sich bewusster auf die Themen der Gruppe einzulassen und den Alltag eine Weile hinter sich zu lassen.

  • Verbindlichkeit

Alleine schon die physische Anwesenheit bei einer Vor-Ort-Selbsthilfegruppe schafft eine gewisse Verbindlichkeit. Dies hilft, um regelmäßig an den Gruppentreffen teilzunehmen, da es oft schwieriger ist, einfach abzusagen oder nicht zu erscheinen.

  • Aktives Einbringen

Aufgrund der überwiegend geringen Teilnehmerzahl bei Vor-Ort-Selbsthilfegruppen wird man in Gespräche einbezogen und beteiligt sich daher aktiver in der Gruppe. Es ist somit schwerer, sich zurückzuziehen. Die Gefahr, in eine passive Rolle zu fallen, wird unterbunden.

Fazit

Die Wahl zwischen Online- oder Präsenzveranstaltungen ist für chronisch erkrankte Menschen eine besonders sensible Entscheidung. Wer sich Flexibilität wünscht und vielleicht eine gewisse emotionale Distanz wahren möchte, für den sind Online-Selbsthilfegruppen eine interessante Alternative. Sie bieten die Möglichkeit, sich bequem von zu Hause aus auszutauschen. Dies ist insbesondere für Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder chronischer Erschöpfung vorteilhaft. Ein Online-Format ermöglicht es zudem, zwischen verschiedenen Gruppen zu wechseln, um die für sich richtige zu finden. Des Weiteren sind meiner Meinung nach Online-Treffen für die Menschen geeignet, die auf ihre Energiereserven achten müssen.

Präsenztreffen bieten jedoch eine wichtige soziale und emotionale Komponenten, die vielen Betroffenen fehlt. Sie erfordern aber sorgfältige Planung, um eine Überlastung zu vermeiden.

Letzten Endes zählt vor allem eines: Egal ob Präsenz oder Online – der Austausch mit Menschen, die die eigenen Herausforderungen kennen und verstehen, ist unglaublich bereichernd.

Hast du auch schon Erfahrungen mit Selbsthilfegruppen gemacht und kannst darüber berichten? Erzähle gerne davon und kommentiere unter diesem Beitrag.

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