Ich: Version 2.0

Man sieht auf dem Bild auf 2 unterschiedliche Arten weichgezeichnet, eine weibliche Person Ende 40, die im Bett liegt. Das Bild soll symbolisieren, dass altes Ich und neue Ich sich ergänzen können und jedes für sich seine Daseinsberechtigung hat.

Manchmal schaue ich Bilder auf meinem Handy an und frage mich: Wer war diese Frau? Die, die mit Leichtigkeit, unbeschwert durch den Tag ging, die Pläne für die Zukunft schmiedete, die Energie für alles hatte und beruflichen Erfolg vorweisen konnte.

In diesen Momenten wird mir wieder bewusst, was ich alles verloren habe: Mein „altes Ich“ ruft, „Hallo, wo bist du?“. Mit Wehmut erinnere ich mich daran, dass ich noch vor einigen Jahren selbstverständlich einkaufen ging, spontan mit Freunden Kaffee trinken gehen konnte oder mich auf den nächsten Urlaub in den Bergen freute.

Es fühlt sich so an, als wäre diese Version meines früheren Ichs schleichend aus meinem Leben verschwunden. Das tut weh und meine Gedanken kreisen in einer Endlosschleife. An diesen Tagen vermisse ich es mehr als sonst, leichtfüßig wie damals durch das Leben zu gehen.

Sehnsucht ist menschlich

Ich bin nicht jemand, der sich gegen die Realität sträubt. Im Gegenteil, ich nehme sie bewusst wahr. Ich habe gelernt, zu akzeptieren und geduldig zu sein. Jeden Tag mache ich das Beste daraus. Ja, mein Leben mit der chronischen und unsichtbaren Erkrankung ist anders. Es heißt jedoch nicht, dass es schlechter ist.
Aber Akzeptanz bedeutet nicht, dass die Sehnsucht verschwindet.

So gibt nach wie vor Tage, an denen ich mich frage:

  • „Wie wäre es, wenn ich einfach aufstehen könnte, ohne darüber nachzudenken?“
  • „Wie würde es sich anfühlen, durch die Stadt zu laufen, ohne dass mein Körper mich nach wenigen Minuten zu einer Pause zwingt?“
  • „Wie wäre mein Leben, wenn ich nicht in Antragstellungen, medizinischen Berichten und Erklärungen für Außenstehende und Ärzte feststecken würde?“
  • „Welche Länder hätte ich evtl. zwischenzeitlich bereist?“

Ich weiß, dass diese Fragen unnötig sind. Und trotzdem stelle ich sie mir manchmal – weil ich Mensch bin.

Denn egal, wie sehr ich mich in meinem neuen Leben zurechtfinde, die Erinnerungen an das alte kommen immer mal wieder zurück.
Manchmal mit Wut. Manchmal mit Tränen. Oft mit einem Stich mitten ins Herz. Aber mittlerweile auch mit einer Art Ehrfurcht, denn ich bin froh, das Erlebte gelebt zu haben.

Was bleibt – und was neu entstehen darf

Ich bin nicht mehr die, die ich einmal war.
Aber ich bin so viel mehr, als ich dachte.

Diese beiden Sätze waren meine grobe Überschrift für diesen Blogartikel – sozusagen mein Arbeitstitel. Der Grund dafür war ein Gespräch mit einem Bekannten, das ich in den letzten Tagen geführt habe. Dabei habe ich unter anderem erwähnt:

🔄 Ja, ich kann nicht mehr aus einem Impuls heraus in mein Auto steigen und irgendwohin fahren – aber ich habe gelernt, dass kleine Momente genauso wertvoll sein können.
🔄 Ja, ich habe keine Kraft mehr für stundenlange Gespräche – aber die Worte, die ich für mein Gegenüber wähle, sind heute bewusster und viel echter.
🔄 Und ja, ich bin nicht mehr so „zuverlässig“ im herkömmlichen Sinn – aber sobald sich eine Möglichkeit ergibt und meine Kraft es erlaubt, nutze ich die Chance zur Umsetzung und Teilhabe am Leben.

Ich verstehe wirklich, was es heißt, sich durch schwierige Zeiten zu kämpfen. Die Sehnsucht nach dem, was war, wird immer in meinem Herzen bleiben. Aber sie nimmt mir nicht mehr den Blick, das zu sehen, was noch da ist. Nämlich viel Positives. Somit dürfen neue Dinge entstehen, neue Erfahrungen gemacht werden. Nicht als Ersatz für das Verlorene. Sondern als Wachstum aus dem, was jetzt ist.

Diese Akzeptanz prägt mich stark und verpasste mir sozusagen ein neues Ich. Ein Ich mit chronischer und unsichtbarer Erkrankung.

Reflexion ist alles

Neben den spürbaren Verlusten, ermöglicht mir das Leben mit meiner chronischen Erkrankung, neue Perspektiven und Stärken an mir zu entdecken. Daher sehe ich mich Stand heute als jemanden:

  • der (wieder) gelernt hat, auf seinen Körper zu hören
  • der sich nicht mehr über Leistung definiert
  • der eine ganz andere Art von Verbundenheit zu sich selbst spürt
  • der verstanden hat, dass in den kleinsten Dingen/Momenten Freude zu finden ist
  • der trotz Einschränkungen ein erfülltes Leben führt
  • der froh darüber ist, jeden Tag aufzuwachen
  • der weiß, dass er viel Positives in die Welt tragen kann

Finde dich neu

Hast du das Gefühl, dich selbst verloren zu haben? Weißt du nicht mehr, wer du ohne dein „altes Ich“ bist?

Vielleicht hilft dir eine kleine Übung:

✍️ Schreib auf, was dich früher ausgemacht hat.
💡 Markiere dann die Dinge, die noch immer da sind und notiere zusätzlich die, die du neu entdeckt hast.

Erstaunlich viel, oder? Du hast dich weiterentwickelt. Du nimmst nach wie vor am Leben teil. Mach dir dabei immer wieder bewusst: Du lebst – nur unglaublich intensiver und fokussierter. Genau das zählt!


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3 Kommentare

  1. Hallo. Ich kenne einige deiner Posts in den SM und auf deinem Blog. Ich stimme 100% zu, dass eine schwerwiegende Krankheit alles auf den Kopf stellt und vieles im Leben überdenken lässt. Ging mir auch so. Ich wollte dir sagen, dass du dazu inspirierst, nicht aufzugeben. Weiter so und danke.

    Patrick

    1. Hallo Patrick,
      vielen Dank für deinen Kommentar und das Lob 😊. Es freut mich sehr, dass du meine Beiträge wertschätzt und sie als inspirierend bezeichnest. Ich werde weiterhin mein Bestes geben, denn gemeinsam sind wir stark und schaffen vieles.

      Ich wünsche dir von Herzen alles Gute.

      Liebe Grüße
      Sevi

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