(M)Eine persönliche Schreibreise
Schreiben war schon immer mein Begleiter. Als Kind füllte ich Tagebuchseiten mit meinen Gedanken und schrieb Briefe an Brieffreundinnen. Später, im Berufsleben, verfasste ich unter anderem Marketing-Texte, Ausschreibungen für Weiterbildungskurse sowie für unsere betriebliche Homepage etc. Doch nie hätte ich gedacht, dass das Schreiben einmal zu so viel mehr werden würde: zu einem Werkzeug der Krankheitsbewältigung, zu einer Brücke zu anderen Menschen und zu einem Weg, der mir vielleicht sogar neue berufliche Perspektiven eröffnet.
Dieser Beitrag ist Teil von Kerstin Salvadors Blogparade „Wohin mich mein Schreiben schon geführt hat“. Er soll zeigen, wie kraftvoll Worte sein können – für uns selbst und für andere.
Schreiben als emotionale Krankheitsbewältigung
Heute ist das Schreiben für mich weit mehr als nur ein Hobby. Es wurde zu einer Art von weiterer therapeutischer Maßnahme, die ich mir selbst auferlegt habe. Es ist mein Weg, mir alles von der Seele zu schreiben, was mich in Verbindung mit Long- bzw. Post Covid bzw. ME/CFS und deren Folgen bewegt.
Ob Traurigkeit, Angst oder auch kleine Erfolge: Schreiben befreit mich. Die Worte fließen ungefiltert dahin, angepasst an meine jeweilige Verfassung. Oft sind meine ersten Rohfassungen von Blogartikel wie das gerade vor meinem Fenster durchziehende heftige Gewitter – beeindruckend, schwer, aber doch auch reinigend, befreiend und manchmal auch ganz leicht. Erst durch das Sortieren der Wörter in Kategorien entsteht Klarheit und mit ihr eine gewisse Art von Stolz. Stolz darauf, dass ich in der Lage bin, meine Gefühle in Worte zu fassen. Ich kann und darf meine Geschichte und die damit einhergehenden Erkenntnisse teilen.
Eine besonders prägende Station auf meinem Weg des Schreibens – genauer gesagt des Bloggens – war mein Erlebnis mit Medical Gaslighting im Hilfsmittelbedarf. Das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, war sehr schmerzhaft. Zugleich wurde es zum Auslöser meiner „Herzensmission“: der Sichtbarkeit von chronischen und unsichtbaren Erkrankungen. Seitdem schreibe ich nicht nur für mich, sondern auch für andere.
Chronisch krank und sichtbar: Schreiben als Sprachrohr für Long Covid & ME/CFS
Was als Selbsthilfe begann, wurde zu etwas Größerem, zu einer Stimme. Durch meine Texte erreiche ich Menschen, die ebenfalls mit chronischen oder unsichtbaren Erkrankungen leben. Besonders viele davon haben die gleiche Diagnose wie ich: Long- bzw. Post Covid und/oder ME/CFS.
Durch das Schreiben und Teilen meiner Blogartikel entsteht eine Verbindung, ein „Wir-sind-nicht-allein“-Gefühl, das Mut macht. In „4 Jahre Post Covid: Verletzlichkeit, Trauer, Stolz und ungebrochene Stärke“ erzähle ich offen von meiner Reise durch Erschöpfung, Zweifel und inneres Wachstum.
Eine Leserin, names Dani O., hat sich nach Veröffentlichung des Blogartikels über den Messenger bei mir gemeldet. Sie schrieb, dass ihr in meinem Artikel die beschriebenen 5 Gesundheitssäulen geholfen haben zu verstehen, dass allein die Krankheit anzunehmen, nicht ausreicht. Sie will zukünftig besser auf sich achten, reflektieren, liebevoller mit sich selbst reden und aus Rückschlägen lernen.
Solche Nachrichten zeigen mir, dass ich mit meinen Worten Menschen erreiche und zum Um- bzw. Nachdenken anrege.

Vom Schmerz zur Sinnhaftigkeit
Vom persönlichen Erleben zur Hilfe für andere
Rückblickend hilft mir das Schreiben, meiner Krankheit einen Sinn zu geben. Es bietet mir die Möglichkeit, mich mit anderen Betroffenen sowie deren Freunde und Angehörige zu vernetzen und auszutauschen. Ich sehe es als eine Brücke im Sinne von: Ich gestalte daraus etwas, das (nicht nur mir) Kraft gibt.
Meine Artikel spiegeln meine Entwicklung wider. Von sehr persönlichen Beiträgen bis hin zu praktischen Ratgebern wie „Warum Pacing für Long-/Post Covid- und ME/CFS-Betroffene so wichtig ist„: eine Energie-Management-Strategie, die hilft, meine Kräfte klug einzuteilen.
Die Beiträge zeigen unter anderem, wie sich mein Schreiben von der reinen Selbstreflexion und Von-der-Seele-reden zu einem Werkzeug für andere entwickelt hat.
Letzte Woche Sonntag zum Beispiel lag ich kraftlos und müde im Bett. Freudlos und gefangen in meinem Gedankenkarussell. Ich nahm mein Handy in die Hand, scrollte durch Instagram, sah meine Insights an und ging zuletzt die Storys der Menschen durch, denen ich folge. Da teilte jemand meine 100+ Freudenquellen mit dem Satz „Das hat mir heute meinen Tag gerettet“. In diesem Moment wurde mir klar: Auch wenn ich schlechte Tage habe und körperlich eingeschränkt bin, kann ich mit meinen Worten etwas bewirken.
Authentizität als Stärke
Von anfänglichen, eher zögerlichen Schritten, bin ich mittlerweile zu einer gefestigten Position gelangt. Ich weiß sehr genau, was ich mit meinen Worten in die Welt tragen möchte. Schreiben bringt Struktur in mein inneres Chaos und schenkt mir gleichzeitig Selbstwirksamkeit.
Nach Rückmeldungen von Lesern meines Blogs, sind meine Artikel durch meine positiv-denkende Art, meinen ungebrochenen Optimismus und durch meine Selbstironie nahbar und motivierend.
Diese Kombination soll anscheinend meine Beiträge zu mehr als nur informativen Texten machen: sie inspirieren und ermutigen andere Betroffene.
Durch das kleinteilige Streuen meiner Blogartikel in den sozialen Medien, erhalte ich zusätzlich die Möglichkeit, die „Laufzeit“ meiner Artikel zu verlängern. Damit kann ich bei bestimmten Themen flexibler auf die Rückmeldungen und Anregungen von Lesern eingehen und diese z. B. vertiefen.
Neue berufliche Horizonte
Das Schreiben hilft mir nicht nur, meine eigene Situation zu bewältigen. Es hat mir auch eine wichtige Erkenntnis geschenkt: Ich besitze eine immense innere Stärke, die anderen hilft und sie auf ihrem eigenen Weg unterstützt. Das hat mich dazu gebracht, über eine Weiterbildung im Bereich Resilienzberatung nachzudenken. Nach meiner Erkrankung könnte ich diese Tätigkeit anfangs vielleicht nebenberuflich ausüben, Erfahrungen sammeln und zu einem späteren Zeitpunkt professionell durchstarten.
Das ist ein weiteres, wichtiges Ziel für die Zeit nach meiner Erkrankung, wenn nicht sogar eines meiner Herzenswünsche, das mich – neben meiner Herzensmission – vorantreibt. Meine chronische Krankheit zeigt mir jeden Tag, dass das Leben wertvoll ist. Daher soll jeder die Möglichkeit erhalten, im Leben Spaß zu haben, den Sinn des Lebens zu verstehen, Kraft daraus zu schöpfen und es erfüllt zu leben.
Alle diese Gedanken teilte ich kürzlich mit meiner Physio- und Atemtherapeutin, die nicht nur mich, sondern auch meinen Blog kennt. Daraufhin erwiderte sie „Du hast eine Gabe, Menschen zu erreichen, sie zu stärken und ihnen Mut zu machen. Nutze es. Das passt total zu dir„. Diese Aussage bestärkt mich natürlich, den Weg weiterzugehen und das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Schreiben für mich selbst: Warum ich Artikel veröffentliche
Mit meinen Worten stülpe ich mein Inneres nach außen, verarbeite Emotionen und hole mir daraus Kraft. Das Schreiben fokussiert mich wieder auf das, was für mich wirklich wichtig ist – auf mich selbst, meine Gesundheit, mein Seelenleben, Achtsamkeit im Alltag, Freude, Erfüllung und ein gutes Gefühl bzw. positives Mindset.
Somit ist es mir mittlerweile egal, wenn einer meiner Beiträge einmal nicht wertgeschätzt oder gelesen wird. Die Hauptsache ist, dass ich am Ende des Tages zufrieden ins Bett gehe.
Tipps: So kannst du selbst mit dem Schreiben beginnen
Vielleicht fragst du dich, wie du selbst von dieser Kraft des Schreibens profitieren kannst. Ich erinnere mich daran, dass einige meiner ersten Blogartikel entweder mehrmals komplett gelöscht oder mehrfach von mir geändert wurden. „Das ist doch Mist und liest sich nicht gut„, dachte ich. Heute weiß ich, dass Perfektion nicht das Ziel ist. Authentizität ist es. Daher hier ein paar Anregungen, die mir geholfen haben:
Das gibt mir das Schreiben:
- Klarheit in meiner Gedankenwelt
- Ein Ventil für Frust, Angst, Trauer, aber auch für Freude, Dankbarkeit und Erfüllung
- Das Gefühl, gehört und – vor allem – verstanden zu werden
- Verbindung zu anderen erhalten, die Ähnliches erleben
Meine Empfehlungen:
- Beginne mit einem Tagebuch oder einem Dankbarkeitsjournal
- Schreibe ohne Anspruch auf „richtig“ oder „schön“
- Vertraue dem Prozess. Deine Gedanken finden ihren Weg
Fazit: Schreiben als Brücke zu mir und zu anderen
Vom Mädchen mit dem Tagebuch zur Bloggerin, die anderen Mut macht. Das Schreiben hat mich weiter geführt, als ich je erwartet hätte. Verletzlichkeit und Stärke gehen Hand in Hand. Geteiltes Leid ist halbiertes Leid. Worte haben die Kraft, nicht nur zu gestalten und zu prägen, sondern auch anderen zu helfen.
Das Ende meiner Schreibreise bleibt offen und ich bin gespannt, zu welchen weiteren „Reisezielen“ das Schreiben mich noch führt. Fakt ist jedoch: Mein Weg des Schreibens geht weiter.
Schreibst du dir auch manchmal Dinge von der Seele?
Wenn du magst, teile deine Gedanken in den Kommentaren oder starte heute deinen ersten Beitrag in ein Tagebuch oder dein Dankbarkeitsjournal.
Manche sagen: Schreiben heilt. Doch ich bin der Meinung: Schreiben unterstützt auf dem Weg zur (inneren) Heilung. Vielleicht auch dich.
Wow, wie kraftvoll du das Schreiben als Sprachrohr und als Weg zur Sichtbarkeit für dich und für andere nutzt, liebe Sevi. Bravo! Ich bin noch immer ganz erschüttert, was dir im Sanitätshaus passiert ist und wie oft noch immer Long Covid unterschätzt wird. Ich wünsche dir einen weiten Wirkungskreis für dein Schreiben und freue mich, dass du mit diesem berührenden Beitrag an meiner Blogparade teilgenommen hast.
Herzliche Grüße
Kerstin
Hallo Kerstin,
vielen Dank für deine stärkenden Worte und dein Kommentar.
Bezüglich des Umganges mit Betroffenen von Long- bzw. Post Covid, Post Vac und ME/CFS muss sich in unserer Gesellschaft noch einiges tun – vor allem aus medizinischer, politischer und wirtschaftlicher Sicht. Der Anfang ist gemacht und die Aufmerksamkeit im Außen nimmt zu. Das freut uns Betroffene alle sehr. Ich für meinen Teil werde dranbleiben und weiterhin meine Stimme erheben. Somit freut mich dein Kommentar riesig. Danke schön 🫶.
Liebe Grüße
Sevi