Mir ist soeben was passiert, was ich zwar von diversen Ärzten bereits kenne, aber das hier und heute, hat mir eben mal wieder gezeigt, dass es einen großen Unterschied zwischen „sichtbar krank“ und „unsichtbar krank“ gibt.
Folgendes vorweg: ich hab mir bisher mit dem Gedanken sehr schwer getan, mir ein Hilfsmittel – in meinem Fall ein Rollator bzw. einen Rollstuhl – zuzulegen bzw. verschreiben zu lassen. Fakt ist, dass ich äußerlich nicht auf meine chronische Erkrankung reduziert werden wollte. Und natürlich, das gebe ich gerne zu, wollte ich mich auch nicht mit einem Rollator oder Rollstuhl in der Öffentlichkeit zeigen – denn es könnte mich ja jemand kennen und stigmatisieren. Und dazu noch, war meine Scham bisher vor diesem Schritt einfach viel zu groß.
Heute jedoch, nach zahlreichen erfolgslosen Gesprächen mit Therapeuten, Ärzten und meiner Psychologin, habe ich mich entschlossen, mich über die möglichen Hilfsmittel zu informieren.
Da ich keinen Rückzieher zu meiner Entscheidung – und in dem Fall zu einem Ja zu mir – machen wollte, bin ich spontan zu einem ortsansässigen Sanitätshaus gefahren.
Zielstrebig, optimistisch und kurzatmig wie ich bin, habe ich also das Geschäft betreten und eine Beratung angestrebt. Doch das, was mir dann widerfahren ist, hat mich echt aus den Socken gehauen.
Folgendes ist passiert: Eine der Beraterinnnen kam kurz nach meinem Eintreten zu mir an den Tresen. Positiv zu erwähnen ist, dass sie mir zugehört und teilweise nochmals Rückfragen gestellt hat, weil ich – wie üblich, aus meiner Atemnot begründet – Wörter verschluckt, leise und teilweise abgehackt gesprochen habe. Doch dann – bääämmmm: sie glaube nicht, ob ich für einen Rollator oder Rollstuhl überhaupt ein Rezept bekommen würde! Auf meine Frage, warum sie dieser Ansicht sei, meinte sie, ich würde hier ja schließlich aufrecht vor ihr stehen, sei jung und zwar ersichtlich kurzatmig und etwas wackelig unterwegs, aber würde „trotzdem“ gesund und mobil aussehen. Ohne Rezept, aus dem klar erkennbar sei, welche Diagnose ich hätte und dass Bedarf besteht, könne sie mich nicht beraten. Dazu wäre keine Zeit, es würde andere geben, die ihre Hilfe dringender brauchen würden (vermutlich meinte sie damit die Senioren hinter mir)…
Ich war sowas von perflex, ich kann es gar nicht in Worte fassen – unabhängig davon, was es köperlich in mir ausgelöst hat! Blind vor Wut und Frust, hab ich dann mühsam das Sanitätshaus verlassen und mich erstmal auf die Bank vor dem Geschäft gesetzt. Hier kam ich dann langsam wieder runter, konnte meine Panik wieder in den Griff bekommen und durchatmen, meinem Kopf/Gehirn den nötigen Sauerstoff zuführen und wirklich im wahrsten Sinne des Wortes wieder den Blick schärfen, mich fokussieren, das Geschehene reflektieren und Kraft sammeln. Kraft sammeln, um nach Hause zu fahren und mich dort von dem Geschehenen zu erholen.
Auf dem Weg nach Hause, änderte ich jedoch meine Meinung. Ich hab mich zuerst an den PC gesetzt und diesen Eintrag geschrieben. Den Eintrag werde ich auch gleich veröffentlichen, da ich weiß, dass ich dies sonst vermutlich nicht mehr machen werde und dafür ist das Erlebte zu einschneidend und leider so gar nicht weit davon entfernt, mit was für Hindernissen Chronisch-Kranke tagtäglich zu kämpfen haben.
Auch habe mich mir mit diesem kurzen Bericht über meinen (ersten!) Ausflug in ein Sanitätshaus, eben geschworen, mich nicht unterkriegen zu lassen und nun ganz gezielt um dieses Hilfsmittel zu kämpfen. Denn wer geht schon in ein Sanitätshaus, wenn er nicht unterstützt werden möchte und/oder Hilfe braucht!?
Es ist erstaunlich, was dir passiert ist und du machst das genau richtig und schreibst darüber. Hut ab! Ich bin regelmäßig in Sanitätshäusern und habe absolutes Glück und mir wird immer geholfen. Dabei komme ich nicht für mich selbst, sondern für meine über 90jährigen Schwiegereltern und darf z.B.auch einen Rollator einfach mal testen. Und genau so sollte es auch sein, denn niemand sieht auf den ersten Blick, welche Herausforderungen jemand hat. Viel Kraft weiterhin! LG Susanne
Liebe Susanne.
Einige Tage nach der beschriebenen Situation, ging ich in ein anderes Sanitätshaus. Die Erfahrungen dort, konnten nicht gegensätzlicher sein gemacht. Circa 1,5 Stunden wurde ich vollumfänglich beraten. Ich durfte verschiedene Rollatoren und Rollstühle testen, sie ließen sich komplett auf mich ein, fragten viel nach, gaben Tipps und Hinweise für Alltagssituationen und haben keinen Zeitdruck verbreitet. Das war super! Ich habe mich aufgehoben und bei der Beratung sehr wohl gefühlt.
Liebe Grüße und vielen Dank für deinen Kommentar sowie deine Wünsche für die Zukunft.
Sevi
Puh, sowas geht ja mal gar nicht. Es ist total sinnvoll, dass du dich im Sanitätshaus beraten lässt, EHE dein Arzt eine Verordnung ausstellt. Auf der muss nämlich ganz exakt draufstehen, was du benötigst und nicht einfach nur „Rollstuhl“ – ansonsten bekommst du von der Krankenkasse irgendein Modell aus den Beständen. Das Sanitätshaus sollte dich beraten und dir schriftlich geben, was genau dein Arzt auf die Verordnung schreiben soll (Modell, Größe, evtl. Zusatzausstattung, etc.). Die Verordnung reicht das Sanitätshaus bei der Krankenkasse ein und gibt dir Bescheid, sobald du grünes Licht hast. Eventuell grätscht nochmal der Medizinische Dienst dazwischen und will von deinem Arzt eine ausführlichere Begründung inkl. Diagnosen haben. Daher ist es sinnvoll, dass das ein Facharzt ausstellt und nicht die Hausarztpraxis, die können solche Rückfragen nämlich in der Regel nicht gründlich genug beantworten. Das Spiel habe ich letztes Jahr mit meiner Orthese durch und bin sehr gespannt, wenn es dieses Jahr um einen anderen Rolli geht.
Lass dich nicht unterkriegen!
Liebe Grüße
Anne
Hallo Anne,
vielen lieben Dank für deine Worte. Zwischenzeitlich ist das Rezept eingereicht und ich warte auf den Anruf des Sanitätshauses, dass ich endlich vorbeikommen und mein herbeigesehntes Hilfsmittel abholen darf.
Dir drücke ich ganz fest die Daumen, dass du unproblematisch – und vor allem unbürokratisch – zu deinem neuen Rolli kommst. Alles Gute für dich!
Liebe Grüße
Sevi
Dann drücken wir uns einfach gegenseitig die Daumen! 🙂
So machen wir es! Es können nicht Daumen genug gedrückt sein :-))
Toll, dass du diesen Artikel geschrieben und auch gleich veröffentlicht hast! Dein Thema ist sehr wichtig und braucht unbedingt mehr Aufmerksamkeit. Ich freue mich darauf, mehr von dir zu lesen.
Liebe Sabine, das freut mich gerade wirklich riesig das zu lesen 😍. Ich möchte an dem Thema dranbleiben und werde meine Kraft dafür einteilen und einsetzen. Im Bereich der Zielsetzung und -erreichung war ich schon immer gut 😉